Ein Gastbeitrag meines Schülerpraktikanten Jonah Diebäcker

“Demokratie ist die Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansichten anderer zu beugen”. An dieses Zitat von Winston Churchill, einem der wichtigsten britischen Staatsmänner des 20. Jahrhunderts, erinnern sich in diesen Tagen viele Menschen zurück. In Deutschland warten alle darauf, dass sich Koalitionspartner finden und eine Regierung entsteht. Jede Partei ringt mit sich, denn natürlich haben alle eine große Verantwortung gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern und sie wollen ihre Werte vermitteln.

Die CDU ist stärkste Fraktion geworden und dadurch sicher in der Regierung. Die Frage ist nur: Wer geht in eine Koalition? Nach dem Bundesparteitag der SPD ist die Partei zumindest bereit für Koalitionsverhandlungen. Anschließend werden aber alle SPD-Mitglieder in einer Abstimmung entscheiden, ob es eine Groko erneut geben wird. Können die Verhandlungen und vor allem eine mögliche Regierung zweier Parteien, welche durch die schlechten Wahlergebnisse an einem Scheidepunkt ihrer Geschichte stehen so funktionieren?

Nachdem die Jamaika-Verhandlungen zwischen der Union, der FDP und den Grünen gescheitert sind, haben sich SPD- und Unionsführung zusammengesetzt und die wichtigsten Themen sondiert. Der überraschende Ausstieg der FDP aus den Koalitionsverhandlungen führte dazu, dass in der ganzen Republik sofort die SPD in die Pflicht genommen wurde. Die Partei, die sich zurzeit versucht neu aufzubauen soll nun schuldig sein, wenn es in Deutschland zu keiner Regierung kommt.

Die Delegierten haben sich mit einer knappen Mehrheit von 56% für Koalitionsverhandlungen entschieden. Aber wie kam es überhaupt dazu, dass die SPD in dieses Dilemma kam?

Das knappe Ergebnis des SPD-Parteitags zeigt hauptsächlich, wie uneinig und wie zerrissen die Partei im Inneren ist. Die Prinzipien der SPD-Führung sind jetzt Hoffnung, aber vor allem Stärke. Sie wollen besonders den Wählerinnen und Wählern signalisieren, dass sie mit aller Macht die wichtigsten Aspekte ihres Wahlprogramms, aber auch der Sozialpolitik vertreten und versuchen diese in den Koalitionsvertrag zu bekommen. Schließlich ist es jetzt wichtig die Partei neu zu formieren, gleichzeitig die wichtigsten Werte nicht zu vergessen und dabei trotzdem in einer Regierung mit der Union Etwas zu bewirken. Die SPD-Spitze behält sich aber vor, bei nicht-Erfüllung ihrer Punkte aus den Koalitionsverhandlungen auszutreten. Dieser Vorbehalt war ein wichtiger Aspekt vieler Delegierter, der sie veranlasste Pro-Groko zustimmen.

Nun ist die SPD bereit für Koalitionsverhandlungen zusammen mit der Union. Aber auch dort gibt es eine Menge Probleme. An der Spitze steht eine kritisierte Bundeskanzlerin, die eine Minderheitsregierung für unzulässig hält. Auch ihr Wahlergebnis hat sich extrem verschlechtert. Sie haben sich 2017 um 8,5% verschlechtert im Vergleich zur Wahl 2013. Auch die CDU/CSU muss sich bemühen ihre Werte und vor allem die hohe Stimmenanzahl aufrecht zu halten. Letztlich ist die Union natürlich trotzdem stärkste Fraktion geworden, aber genau als diese sollte es besonders in ihrem Interesse liegen möglichst schnell, im Wohle des Volkes, eine funktionierende Regierung herzustellen.

Nun ist es aber gekommen wie so oft: Die SPD muss sich um eine Bewerkstelligung der Regierung an erster Stelle kümmern. Die CDU/CSU sieht sich in der Position, die anderen erst einmal machen zu lassen und zu schauen wer auf sie zukommt. Da aber immer noch 26% der Menschen die Union gewählt haben, sind diese natürlich, wie auch alle anderen Parteien, gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern verpflichtet ihre Punkte durchzusetzen.

Die SPD-Führung setzte am Bundeparteitag vor allem auf den Punkt, dass man schlecht Etwas bewegen kann, ohne in der Regierung zu sein. Allerdings könnte eine Rolle in der Opposition ein wichtiger Aspekt für die kommende Wahl sein. Also musste jeder Delegierte entscheiden, ob die Partei besser in der Opposition oder in der Regierung aufgehoben ist. Genau diesem Dilemma sah sich jeder Delegierte ausgesetzt und auch das ist ein offensichtlicher Grund für das “zerrissene” Erscheinungsbild der Partei. Ein Weiterer ist, dass Schulz direkt nach der Wahl eine Neuauflage der Groko für irreal befand. Wenige Monate später wollte er gemeinsam mit der gesamten SPD-Spitze Sondierungsgespräche führen und daraufhin in Koalitionsverhandlungen gehen.

Die Parteiführung der SPD und der CDU/CSU sind bereit für Koalitionsverhandlungen, aber sie haben eine große Verantwortungen und vor allem Erwartungen die sie erfüllen müssen. Beide Parteien müssen Werte vermitteln und sich den Ansichten der anderen in gewissen Punkten beugen. Denn genauso sagte es auch schon Winston Churchill.