Ein Gastbeitrag meiner Praktikantin Luisa Schwab.

Seit den Anschlägen des 11. September galt die Organisation “Al Kaida” hierzulande als Inbegriff des modernen Terrorismus. Dieses Bild hat sich im letzten Jahr jedoch gründlich geändert. Die Gruppe islamischer Fundamentalisten, die sich IS „Islamischer Staat“ nennt und aus dem irakischen Ableger von Al Kaida entspringt, ist in den Augen der Weltöffentlichkeit zur aktuell größten terroristischen Bedrohung geworden. Die Terroristen beanspruchen mittlerweile ein Gebiet zwischen Syrien und dem Irak, das etwa die Größe Großbritanniens hat. In dem besetzen Gebiet leben etwa acht Millionen Menschen. Dort versuchen die Anhänger des “IS” ihre Weltanschauung durchzusetzen und einen so genannten “Gottesstaat”, nach ihren Vorstellungen, zu errichten.

Besondere mediale Aufmerksamkeit erregten die IS-Anhänger in den letzten Monaten durch die öffentliche Hinrichtung von Journalisten, die gewaltsame Unterdrückung der Frauen in den besetzten Gebieten und die gnadenlose brutale Auslegung der Scharia, also der Grundlage der muslimischen Gesetzgebung. Die IS-Anhänger wenden sich in ihrem terroristischen Handeln nicht nur gegen Andersgläubige, wie Christen oder gegen Nichtgläubige, sondern auch gegen Strömungen des Islam, die ein anderes Verständnis des Koran oder der Scharia zugrunde legen.

Die finanzielle Situation der Organisation stellt sich nach außen sehr positiv dar. In den durch die IS besetzten Gebieten, haben es die Terroristen geschafft eine stabile Verwaltung aufzubauen. Das Vermögen der Organisation soll Milliarden von Dollar betragen, allein durch Lösegeldzahlungen sollen im vergangenen Jahr über 10 Millionen Dollar erpresst worden sein. Vor allem aber liegen in den eroberten Gebieten große Ölquellen, die nutzbar gemacht werden können.

Seit Bekanntwerden der terroristischen Machenschaften der IS-Kämpfer, hat es unterschiedliche Ansätze zur Bekämpfung des Terrorismus gegeben. Es wurden im Rahmen eines Nato Gipfels Waffenlieferungen als Unterstützung an die Kurden beschlossen, die im Moment noch Widerstand im Osten leisten. Außerdem fliegen US-Amerikanische Soldaten seit einiger Zeit Luftangriffe gegen IS-Stützpunkte. Auch Deutschland beteiligt sich an den Waffenlieferungen. Zusätzlich wurden Maßnahmen beschlossen, um potentielle Terroristen an der Ausreise zu hindern. So kann inzwischen verdächtigen Personen der Reisepass entzogen werden. Vielen gehen diese Maßnahmen allerdings nicht weit genug, sie fordern den Verdächtigen zusätzlich ihren Personalausweis zu entziehen und eine aktive Beteiligung der Bundeswehr an der militärischen Offensive.

Um eine sinnvolle Strategie zur Bekämpfung des IS-Terrorismus zu finden, muss zuerst die Frage geklärt werden, wie der IS innerhalb weniger Monate so große Gebiete erobern und so viele Anhänger rekrutieren konnte. Welche Motivation bringt Menschen dazu, sich einer terroristischen Organisation mit einem derart konservativen Weltbild und solch grausamen Methoden anzuschließen. Erschreckend ist vor allem, dass von den geschätzten 15000 IS- Kämpfern, etwa 3000 aus Europa kommen. Es liegt nahe an dieser Stelle eine Verbindung zwischen der Empfänglichkeit dieser Menschen für radikale Ideen und einer möglicherweise

gescheiterten Integrationspolitik zu ziehen. Ist es möglich, dass viele der IS-Anhänger in der Bewegung nach Anerkennung, Perspektive und Identität suchen, die ihnen ihre “neue” Heimat so nicht bieten konnte? Besonders durch die starke Präsenz der Terrororganisation in den sozialen Medien können junge, frustrierte Menschen aufmerksam gemacht und angeworben werden.

Dies ist jedoch nur eine der möglichen Ursachen für die plötzliche Popularität der IS. Eine andere liegt viel weiter zurück in der Geschichte des Nahen Ostens. In den letzten Jahrzehnten sind viele Strömungen, von rückwärtsgewandten Monarchen bis zu sozialistischen von der Sowjetunion unterstützen Kämpfern, an die Macht gekommen, die allerdings allesamt daran scheiterten einen funktionierenden andauernden Staat aufzubauen. Der libanesische Journalist Hisham Melhem spricht deswegen von einer „zerbrochenen Gesellschaft“.

Gleichzeitig gibt es in der Bevölkerung eine immer stärker werdende Nostalgie nach dem vermeintlichen Glanz des alten osmanischen Reiches. Diese Sehnsüchte weiß der IS geschickt auszunutzen indem er einerseits durch rasche Gebietseroberung, eben diese Hoffnungen zu erfüllen scheint und gleichzeitig durch die Investitionen in die Infrastruktur und Versorgung, den Anschein von hergestellter Stabilität in den besetzten Gebieten erweckt.

Doch an der instabilen politischen Situation im Nahen Osten, den Politikwissenschaftler auch als „Machtvakuum“ bezeichnen, ist auch der Westen beteiligt. Anfang der 1950er Jahre führten die USA und Großbritannien unter dem Namen „Operation Ajax” einen Putsch herbei, um den damaligen Premier Mossadegh zu stürzen, und ihre Anrechte an den iranischen Ölquellen zu sichern. Seitdem waren sie immer wieder indirekt durch Waffenlieferungen und Geld an dem Stürzen von Regierungen in der Region beteiligt, um ihren Einfluss und vor allem Zugänge zu Ölquellen zu sichern. Außerdem hat die von der amerikanischen Regierung unterstützte Eskalationspolitik der letztens 60 Jahre nicht nur die Region destabilisiert, sondern auch riesige Waffenarsenale zurückgelassen, die die IS bei den Eroberungen in die Händen fallen und sie somit indirekt bei ihren Kämpfen unterstützen.

Angesichts der historischen Umstände, die den schnellen Aufstieg des IS überhaupt möglich gemacht haben, stellt sich die Frage ob die Maßnahmen, die aktuell ergriffen werden, die richtigen sind. Namhafte amerikanische Politiker wie der Ex-Botschafter Ryan Cocker fordern die Unterstützung auf den syrischen Diktator Assad auszuweiten, der im Angesicht der Bedrohung durch den IS, das „kleinere Übel“ sei. Assad war 2012 noch von den USA mit Sanktionen und Waffenlieferungen bekämpft worden wegen seiner Gräueltaten gegen syrische Volk im Zuge des Bürgerkrieges. Eine dauerhafte Unterstützung durch Waffen und Finanzmittel der oppositionellen Gruppen terroristischer Organisation kann im Endeffekt nur zu weiteren Gewalttaten führen. Diese Art der Krisenpolitik scheint auf kurzfristige Allianzen ausgelegt zu sein, die ebenfalls kurzfristige Ziele sicherstellen sollen, ungeachtet der Tatsache, dass diese Strategie maßgeblich zum Machtvakuum im Nahen Osten beitragen.

Es ist also zu befürchten, dass selbst wenn der militärische Kampf gegen IS erfolgreich ist, der Nahe Osten dennoch weiter destabilisiert wird und es dadurch zu weiteren Unruhen kommt. Um eine langfristige Perspektive für eine positive gesellschaftliche Entwicklung zu erreichen, ist es vor allem unerlässlich auf humanitäre Hilfe zu setzen, um den Menschen eine Zukunft jenseits des Terrors zu bieten. Die Stabilisierung einer Region ist meiner Meinung nach keine Entwicklung, die sich kurzfristig herbeiführen, oder mit Militärgewalt erzwingen lässt.

Es müssen vielmehr Konsequenzen daraus gezogen werden, dass so viele IS Kämpfer aus europäischen Ländern rekrutiert werden. Maßnahmen um diese Menschen am Ausreisen zu hindern, sind dabei nur der Versuch die Konsequenzen einer falschen Entwicklung zu verhindern, anstatt die Entwicklung zu bekämpfen. So wäre es vielmehr wichtig an den Ursachen des Problems zu arbeiten. Nur wenn man es schafft den jungen Menschen mit Migrationshintergrund das Gefühl gibt in Europa willkommen zu sein und ihnen hier eine langfristige Perspektive gibt, kann man verhindern, dass sie sich radikalen Ideen anschließen.