Ein Gastbeitrag meines Praktikanten Jan Eric Walsken.

Wir befinden uns im Jahre 2015 n.Chr. Ganz Europa ist von der Unentbehrlichkeit einer Geschlechterquote in Top-Management-Positionen überzeugt… Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Barbaren bevölkertes Deutschland hört nicht auf, den „gender-wahnsinnigen“ Eindringlingen Widerstadt zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die, die die Fakten um Geschlechterverteilungen in Top-Management- Positionen kennen.(1)

Von Jan Eric Walsken

Heute wurde im Bundestag über eine Geschlechterquote für Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst entschieden. Die Frauenquote in Top-Unternehmen kommt viel zu spät, als dass man noch ernsthaft gegen sie argumentieren könnte. In welchen Realitäten ihre Gegner leben, bleibt unter der Betrachtung der Fakten unklar.

Ich möchte hier nicht auf die einzelnen Positionen gegen eine Geschlechterquote eingehen. Denn jede Detaildiskussion ist entbehrlich, sobald die Materie der „Gender Gaps“ genauer bekannt ist: Angefangen bei der Geschlechterverteilung im Middle Management, also der mittleren Führungs- bzw. Leitungsebene (bspw. Abteilungsleiter oder Betriebsleiter). Es überrascht viele, doch ist hier die Verteilung vollkommen ausgeglichen: ca. 50% Frauen und 50% Männer. Betrachtet man jedoch die obersten Führungspositionen, trifft man nur noch 20% Frauen und 80% Männer an. Eine merkwürdige Erkenntnis.(2)

Argumentiert wird unter anderem mit angeblich geringerer Qualifikation der Frauen, doch möchte ich darauf hinweisen, dass bereits jetzt 50,7% der Hochschulabsolventen weiblich sind(3). Und die fixe Idee, Frauen würden durch Baby-Pausen „den Anschluss verlieren“, sollte in der Wühlkiste der Argumente mittlerweile den Bodensatz erreicht haben, denn diese Rechtfertigungsgründe parallel zu Diskussionen über „Social Freezing“ und eine der fünfzig mächtigsten Frauen der Welt, Marissa Mayer, die schon zwei Kinder zur Welt gebracht hat und dennoch Vorstandsvorsitzende von Yahoo ist, fehlen jede Grundlage.

Was Unternehmen, welche von der Quote (hoffentlich) betroffen sein werden, nicht verstehen wollen, ist, dass Diskriminierung schlichtweg ineffizient ist. Mir als Student der Wirtschaftswissenschaften erscheint es absolut unnachvollziehbar, wie gleich oder vielleicht sogar höher qualifizierte weibliche Mitarbeiter nicht in ihrem Potenzial genutzt, sondern auf „halben Weg nach oben“ abgestellt werden. Dies ist nichts anderes als eine Verschwendung von Humankapital – einer der wichtigsten Ressourcen für Unternehmen, welche erfolgreich sein wollen. Die „Gläserne Decke“, welche eine generelle strukturelle Benachteiligung von Menschen in der Arbeitswelt bezeichnet, sollte eingeschlagen und in ihrer Begrifflichkeit innerhalb der nächsten zehn Jahre vergessen werden. Wer „New Economy“ fördert und fordert, sollte sich dies als Priorität setzen.

Neben der Symbolkraft von zukünftig mehr Frauen in Führungspositionen für den Rest der Bevölkerung sind zudem auch die volkswirtschaftlichen Vorteile zu betrachten.
In Deutschland sind im Vergleich zum gesamten Rest der EU (und zu den USA) die Einkommensunterschiede von Männern und Frauen noch immer signifikant höher; Tendenz sogar leicht steigend. Dass ein von einer Frau regiertes Land sich dieser Problematik nicht widmet, ist beschämend. Australische Wissenschaftler haben schon längst die ökonomischen Vorteile genannt, welche durch ein Schließen der Einkommenslücke entstehen: Bereits 1% mehr Lohngleichheit führen zu einer Erhöhung des BIP/Kopf um 260$; bei einer vollständigen Lohngleichheit (in Australien betragen die Einkommensunterschiede 17%, in Deutschland ca. 23%), könnte sich das australische BIP um 8,5%, also um 93 Milliarden Dollar erhöhen(4). In Anbetracht dieser Zahlen sehe ich keine übergreifenden Aspekte, welche gegen eine Bezahlung von Frauen in Relation zu ihrer Grenzproduktivität sprechen könnten. Das Einführen einer Geschlechterquote ist somit auch als ein Schritt zu mehr Einkommensgleichheit zu betrachten.

Die kurze Darlegung einiger der wichtigsten Fakten macht mehr als deutlich, dass das Einführen einer Geschlechterquote volkwirtschaftlich und unternehmerisch sinnvoll ist. Und dies sind nur Aspekte einer objektiven Betrachtung. Warum selbst Frauen gegen die Einführung einer solchen Quote waren, und glauben, dass sie sich gegen strukturelle Diskriminierung durchsetzen könnten, bleibt mir unklar und kann ich in dieser Ausführung leider nicht beantworten.

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Kampf_der_Häuptlinge

2 http://www.ted.com/talks/susan_colantuono_the_career_advice_you_probably_didn_t_get

3 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/BildungForschungKultur/Hochschulen/Tabellen/FrauenanteileAkademischeLaufbahn.html

4 The impact of a sustained gender wage gap on the economy – http://www.actu.org.au/Images/Dynamic/attachments/6895/NATSEM_report.pdf